Olympische Götterwelt: Der Triumph des Zeus

Olympische Götterwelt: Der Triumph des Zeus
Olympische Götterwelt: Der Triumph des Zeus
 
Am Ende des »dunklen Zeitalters« der frühen griechischen Geschichte, um 800 v. Chr., hatten sich die griechischen Siedlungen auf sehr unterschiedliche Weise entwickelt; dies zeigte sich auch im religiösen Bereich. Jede Stadt besaß ihr eigenes Pantheon, in dem manche Götter wichtiger waren als andere, so etwa Athene in Athen und Artemis in Ephesos. Die Städte hatten zwar jeweils eine eigene Mythologie, einen eigenen Kalender und spezifische Feste. Aber dennoch stimmen hinreichend viele Elemente überein, sodass man von einer gemeinsamen Religion sprechen kann. Es gab keinen eigenständigen religiösen Bereich, wie heute in den meisten westlichen Gesellschaften. Religion war Sache der Gemeinschaft und der Öffentlichkeit, jedenfalls keine Privatsache. Antike griechische Religion war polytheistisch, rechnete also mit vielen Göttern, nicht nur mit einem einzigen. Sie war vernetzt, was heißt, dass »Sünden« eines einzelnen weltweite Konsequenzen nach sich ziehen konnten, wie beispielsweise der Vatermord des Ödipus eine Pestepidemie zur Folge hatte. Religion diente zur Aufrechterhaltung der Ordnung, war diesseitig orientiert und besaß keine heilige Schrift. Sie wurde von Männern beherrscht und kannte keine feste Organisationsstruktur.
 
Unserer heutigen Vorstellung von Gott entsprechen griechische Götter nicht. Sie waren weder liebende Götter noch allmächtig, noch allgegenwärtig. Ihre Anwesenheit konnte unheimlich und angsterregend wirken; die übliche Moral band sie nicht: Zeus konnte jedes beliebige Mädchen verführen, selbst wenn sie dann - wie Io in eine Kuh - verwandelt herumirren musste. Die Griechen stellten ihre Götter groß, schön und Respekt gebietend dar: als eine Art »Supermenschen«. Diese Orientierung an menschlichen Vorbildern geht wahrscheinlich zum Großteil auf die Epen Homers zurück.
 
Die Frage nach dem Ursprung der einzelnen Götter Griechenlands ist eine komplizierte Sache, weil religiöse Vorstellungen und Praktiken Früchte einer schon langen Tradition waren. Als um 2000 v. Chr. kleine Gruppen von Indoeuropäern Griechenland besiedelten, brachten sie die Vorstellung einer göttlichen Familie mit; diese wurde dann mit »einheimischen« Göttern vermischt, womit das griechische Pantheon klassischer Zeit entstand: Der eingewanderte Zeus neben den »einheimischen« Göttinnen Athene und Hera.
 
Das griechische Pantheon war keine Ansammlung von Göttern gleicher Wichtigkeit und Bedeutung. Dies zeigt sich bereits bei Homer. Einige Götter waren eindeutig wichtiger, wie etwa Zeus, Athene und Poseidon. Wenn sich beispielsweise die Götter versammelten, musste Hephaistos, der hinkende Schmiedegott, den Wein einschenken und damit eine untergeordnete Aufgabe erfüllen, die normalerweise Jugendlichen zukam. Allgemein kann man sagen, dass jene Götter im Zentrum des Pantheon standen, die die soziale Ordnung am stärksten stützten, während weiter vom Zentrum entfernt, am Rande des Pantheon, solche angesiedelt waren, die dem entgegengesetzten Prinzip, dem »Ungeordneten«, näher standen. Diese Götterhierarchie manifestiert sich auch in der Lage der Heiligtümer und der Art der Opfer.
 
Der »Chef« aller Götter war Zeus, der vielleicht sogar älteste griechische Gott. Zeus' Feste ragten im Kalender nicht sonderlich hervor, und nur wenige Städte haben Monate nach ihm benannt. Sogar seine wichtigsten Mythen sind verhältnismäßig jung. Die griechische Mythologie erzählt, wie sein Vater Kronos den Großvater Uranos kastrierte und wie Zeus selbst Titanen und Giganten besiegen musste, um seine Herrschaft errichten zu können.
 
Athene und Apoll waren die für die griechische Polis wichtigsten Götter. Athene wirkte als Beschützerin vieler Städte, und das Palladion, ihre Darstellung in Statuettenform, als ein Talisman für die Polis. Ihr Auftreten mit Schild und Lanze lässt an eine Kriegsgöttin denken, doch war sie auch eng mit Spinnen und Weben verbunden und wurde als Patronin der Handwerker verehrt, deren berühmteste das Schiff Argo und das Trojanische Pferd gebaut hatten. Apoll beherrschte den Bereich zwischen Jugend und Erwachsensein, weshalb er mit den Aktivitäten beider, der jugendlichen und der erwachsenen Männer, verbunden wurde.
 
Apolls Schwester Artemis wurde wahrscheinlich schon zu Zeiten der Jäger verehrt, wie ihr Titel »Herrin der Tiere« in der Ilias zeigt. Aus ethnologischer Forschung ist bekannt, dass solche Herrinnen oder Herren der Tiere oft eng mit Initiation verbunden sind, und dies könnte erklären, warum Artemis Ritualen des Erwachsen-Werdens besonders bei kleinen Mädchen vorstand. Doch wurde sie - wie ihr Bruder - auch mit dem Krieg verbunden, und es gibt viele Geschichten, die erzählen, wie sie in schwierigen Situationen ganze Gemeinden rettete.
 
Poseidon war der Gott des Meeres; seinem Einfluss unterstanden aber auch Erdbeben, Männerbünde und die Wildheit der Pferde; ihm oblagen also die rohen Gewalten in Natur und Gesellschaft. Man wusste, dass man ohne diesen Gott nicht existieren konnte, doch zeigen seine Mythen auffällig oft, wie er im Kampf von anderen Göttern besiegt wird.
 
Unter den anderen Göttern standen vor allem Demeter und Dionysos eher am Rand des griechischen Pantheon; ihnen wandten sich die Mysterienkulte zu. Daneben sind noch Ares, Hermes, Hephaistos und Aphroditezu nennen. Ares war der Gott der Kampfeswut, die manchmal nötig war, um die Stadt zu erhalten, aber auch verantwortlich für das Töten von Kriegern und das Niedermetzeln von unschuldigen Bürgern. Für unvorstellbar hielt man offenbar ein glückliches Festmahl in seiner Gesellschaft, weshalb er als Opfertier den Hund bekam, der als nicht essbar galt. Hephaistos war der Gott der sozialen Randgruppe der Schmiede und Hermes der Gott des Marktes und des Handels, wobei keine dieser Tätigkeiten besonders hohe Wertschätzung im landwirtschaftlich beherrschten Griechenland genoss. Aphrodite schließlich war die Gottheit der sinnlichen Liebe und dennoch in vielen Städten mit dem Krieg verbunden - eine befremdende Kombination, die ihre Abstammung von der nahöstlichen Göttin Ischtar widerzuspiegeln scheint.
 
Außer den Göttern kannte die griechische Religion eine weitere übernatürliche Kategorie, die Heroen, die eine Position in der Mitte zwischen Göttern und Menschen einnahmen. Sie scheint eine Art kleinster gemeinsamer Nenner gewesen zu sein für mythische Krieger wie Herakles und die Dioskuren, verblasste Götter wie Helena, Kulturbringer wie Prometheus. Oft waren die Heroen wohlwollend gesonnen, doch konnten sie auch böswillig agieren und alle Arten von Krankheiten schicken. Im Vergleich zu Göttern war ihr Handlungsspielraum kleiner; ihr Kult konzentrierte sich auf das Heroengrab. Oft waren die Grenzen zwischen Göttern und Heroen fließend und manche Heroen, Herakles etwa und Äskulap, wurden zeitweise als Götter verehrt.
 
Prof. Dr. Jan N. Bremmer
 
 
Bremmer, Jan: Götter, Mythen und Heiligtümer im antiken Griechenland. Autorisierte Übersetzung von Kai Brodersen. Darmstadt 1996.
 Bruit Zaidman, Louise und Schmitt Pantel, Pauline: Die Religion der Griechen. Kult und Mythos. Aus dem Französischen übertragen von Andreas Wittenburg. München 1994.
 Simon, Erika: Die Götter der Griechen. München 31985.

Universal-Lexikon. 2012.

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